Allgemein
Meditation – Sinnvolle Ergänzung zum Triggern bei myofaszialen Schmerzen
In den Faszien befinden sich sechsmal mehr Nervenenden als in den Muskeln. Die Faszien sind ein reichhaltiges Sinnesorgan für die Körperwahrnehmung, die Informationen an unser Gehirn weitergeben. Sie stehen in Wechselwirkung mit dem vegetativen Nervensystem. (Dr. Robert Schleip)
Wir wissen, dass sich in den Septen (Septum = „Zusammenführung“ zweier faszialer Schichten) eine hohe Anzahl von Gefäßnerven befinden. Studien haben gezeigt, dass das myofasziale System auf Stress reagiert – also dann, wenn der Sympathikus, unser „Stressnerv“, aktiv ist. Durch die Triggerpunktbehandlung mit dem TMX Trigger kann man die Aktivität des Sympathikus senken und dadurch den Muskeltonus herunterfahren. Klingt der Sympathikus ab „übernimmt“ der Parasympathikus, der „beruhigende Gegenspieler“ des Sympathikus. Um also den Parasympathikus optimal in seiner Funktionsweise zu unterstützen und um optimal an unsere Problemstellen heranzukommen, ist Entspanntheit ein nicht irrelevanter Faktor.
Das Zusammenspiel von Faszien und Organen spielt eine zentrale Rolle. A.T. Still beschreibt die Verbundenheit der Faszien mit den Organen und Nerven folgendermaßen: „Ein Netzwerk aus Nerven, Zellen und Röhren führt von den Faszien weg und zu ihnen hin. Mill[ionen] von Nerven und Fasern durchkreuzen und füllen sie. Diese Faszien begleiten und bedecken alle Muskeln, Sehnen und Fasern und trennen sie bis in die letzte Faser voneinander.“ Diese Beschreibung lässt nur erahnen, welche Folgen ein ungesundes, „kränkelndes“ myofasziales System haben kann. Deshalb ist es bei einer Behandlung von Schmerzbildern wichtig, ganzheitlich vorzugehen, denn nur so können langfristig die besten Erfolge erzielt werden: guter und ausreichender Schlaf, Bewegung, Stressreduktion und Ernährung sind in diesem Kontext von essenzieller Bedeutung. Nur lokal vorzugehen, d.h. ohne andere Aspekte mit in Betracht zu ziehen, wird wenig Erfolg bei der Schmerzbehandlung bringen.
Wie können wir, neben dem Triggern, zusätzlich den Gegenspieler des Sympathikus, den Parasympathikus, aktivieren?
Dr. Kurt Mosetter (Arzt, Heilpraktiker und Begründer der Myreflextherapie) verweist in seinem Buch „Wie der Rücken die Seele und die Seele den Rücken heilt“ auf die enge Vernetzung von Körper und Psyche hin: Körperliche Aktivität und Belastung – und zwar jede einzelne – hinterlassen ihre Spuren im Kopf, genauso wie Emotionen und Gefühle auf den Körper „abfärben“. So verkörpern unsere Haltung und unsere muskulären Bewegungsmuster das seelische und geistige Befinden. Ist dieses aus dem Lot geraten, etwa durch Depression, Trauma oder Angst, kann das für Rücken-, Nacken und Schulterschmerzen sorgen.
Hier nun kommt die Meditation ins Spiel. Durch regelmäßiges Meditieren nehmen wir Einfluss auf den Vagusnerv, unserer regulierenden „Schaltstelle“ zwischen unserem Gehirn und den Organen. Als zehnter Gehirnnerv verläuft er vom Hirnstamm im Kopf über Hals und Brust bis zum Bauchraum. Er hat einen ausgleichenden Einfluss auf verschiedene Körperfunktionen und beeinflusst auch unser Befinden. Wird dieser nun gezielt aktiviert, sorgt er für Ruhe und eine sich einstellende Regeneration.
In der Hirnforschung wird Meditation in erster Linie als „mentales Training” verstanden, welches das vegetative Nervensystem positiv beeinflusst: Im Sinne einer Entspannungsreaktion wird weniger stressförderndes Cortisol ausgeschüttet, der „Blick“ richtet sich vom Außen auf das Innen.
Dass Meditieren Schmerzen lindern kann, wurde in der Vergangenheit mehrfach in Studien, die entsprechende Vorgänge im Gehirn nachweisen konnten, bestätigt. Messungen im Kernspintomographen ergaben, dass die Aktivität im Gyrus postcentralis nachließ – das ist ein Areal im Großhirn, welches u.a. für die Wahrnehmung von Ort und Intensität von Schmerzen von Bedeutung ist. Auch in anderen Hirnarealen fanden die Forscher*innen Unterschiede im Schmerzempfinden mit und ohne Meditation. So z.B. auch im orbitofrontalen Cortex, der an der Bewertung von Sinneseindrücken beteiligt ist. Und das ist der Clou an der Sache: Es wird vermutet, dass Meditation aufgrund ihrer Vielfalt an Wirkungsorten mit Blick auf u.a. Schmerzlinderung so effektiv ist. *
„Durch die tiefe Ruhe werden Blockaden, Stress und Spannungen aus dem Nervensystem gelöst, wodurch der Geist freier und klarer, die Psyche ausgeglichener und harmonischer, der Körper entspannter und unser Verhalten entkrampfter und natürlich wird.“ (Dr. Jan Sonntag)
Als ehemaliger Schmerzpatient konnte ich gute Ergebnisse mit der Kombination Triggern und Meditieren erzielen. Daher empfehle ich es auch meinen Kundinnen und Kunden, von denen ich weiß, dass sie Alltagsstress vielfach und regelmäßig ausgesetzt sind.
Es ist absolut lohnend, neben der Triggerpunkteigenbehandlung auch ein mentales Training zu betreiben, um uns von innen UND von außen zu heilen. Das Triggern mit den Triggern geht in die Tiefe, das Meditieren kommt aus der Tiefe heraus – eine fruchtbare Symbiose, die es wert ist, zu fokussieren.
„Last but not least“ – Beispiele aus der Praxis
Das Bild eines runden Buddha, der stundenlang selig lächelnd vor sich hin meditiert hält sich wacker und ist sicherlich jedem schon einmal begegnet. Dabei gibt es zahlreiche Formen der Meditation, die sich sowohl für Anfänger*innen als auch für erfahrene „Medis“ eignen. Im Folgenden werden je zwei Praxisbeispiele zu den AKTIVEN Meditationstechniken und eines zu den PASSIVEN Meditationstechniken vorgestellt:
Aktive Meditationsübungen (zu diesen gehört im Übrigen auch Yoga)
GEHMEDITATION – Du gehst im ruhigen, gleichmäßigen Rhythmus vorwärts, konzentrierst dich auf jeden Schritt und synchronisierst deinen Atem mit der Bewegung. So lösen sich nicht nur körperliche, sondern auch gedankliche Blockaden.
BODYSCAN – Bei dieser Meditation liegst du in der Regel auf dem Rücken und scanst deinen Körper Stück für Stück nach Verspannungen und angenehmen wie unangenehmen Empfindungen ab. Dabei atmest du ruhig weiter und nimmst einfach nur wahr.
Passive Meditationsübungen
ACHTSAMKEITSMEDITATION – Du nimmst deinen Körper sowie deine Umgebung wahr, genauso wie sie gerade ist. Empfindungen, Schmerzen, Gedanken, Geräusche – alles darf sein, während du als stille*r Beobachter*in bewusst ein- und ausatmest, ohne deine Eindrücke zu bewerten.
STILLEMEDITATION – Du konzentrierst dich auf die Stille und den Fluss deines Atems. Tauchen Gedanken auf, lässt du sie weiterziehen, ohne an ihnen festzuhalten. Die Aufmerksamkeit kehrt immer wieder zurück zum Atem.
Gerade für Anfänger*innen ist die Hemmschwelle oft hoch, sich stumm und nahezu regungslos auf ein Kissen zu setzen und zu meditieren. Das sollte aber kein Hinderungsgrund sein! Man kann das Meditieren step-by-step erlernenund diese vier Schritte können Dich dabei unterstützen:
Learning by doing!
Zweimal täglich für drei bis fünf Minuten nur auf die eigene Atmung achten. Konzentriert der Ein- und Ausatmung folgen. Verfolgen, wohin der Atem fließt, und immer tiefer in den Bauch atmen.
Konzentrationsübungen in den Alltag einbauen – etwa die Fußgängerzone durchqueren, ohne sich von Schaufenstern oder anderen Passanten ablenken zu lassen. Kontrolliere deine Gedanken und bleibe ganz bei dir.
Regelmäßig am gleichen Ort zur gleichen Zeit meditieren – beispielsweise morgens direkt nach dem Aufstehen oder abends vor dem Schlafengehen. Auf ein Kissen setzen, aufrechter Rücken, Mundwinkel nach oben. Sich auf die Atmung konzentrieren, die Gedanken vorbeiziehen lassen, ohne sie festzuhalten.
Ein Wort, ein so genanntes Mantra, sprechen oder denken. Dabei die Augen schließen und sich „von der Welt lösen“. Ein Wort wie „Om“ unterstützt das Meditieren, weil wir erst mal nichts damit verbinden und uns lediglich aufs Sein konzentrieren können.
WICHTIG: Alles kann, nichts muss! Auch nur drei Minuten Meditation am Tag sind besser als keine – die ständige Selbstoptimierung und der Leistungsdruck haben hier (endlich mal) Pause.
Mit gelassenen Grüßen
Alessandro
(*Zum ausführlichen Artikel aus dem Journal of Neuroscience gelangst Du hier: https://www.jneurosci.org/content/31/14/5540.abstract)